
Am 21. November 1811 geht Heinrich von Kleist mit Henriette Vogel am Wannsee bei Potsdam in den
Tod. Der Doppelsuizid ist genauestens «inszeniert». Kleist übernimmt die Autorschaft seines Lebens. 100 Jahre später versucht Johannes R. Becher, sich mit seiner Geliebten in einer Wohnung in der Dachauerstrasse in München nach dem Vorbild Kleists zu erschießen. Seine Geliebte stirbt an den Schussverletzungen, Becher überlebt. Im Akt des «Nachspielens» inthronisiert er sich zum Nachfolger Kleists. Heiner Müller findet am 1. Juni 1966 seine Frau, die Schriftstellerin Inge Müller, tot in ihrer Berliner Wohnung auf. Er beschreibt die Situation später aus einer mehrfachen Distanz. Am 9. Mai 1976
wird Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle in Stuttgart Stammheim gefunden. Statt eines Abschiedsbriefs
liegt auf dem Tisch Wittgensteins «Philosophische Grammatik» aufgeschlagen. Ihr toter Körper wird
im Kontext Wittgensteins zum sprechenden Zeichen. 1976 baut Joseph Beuys das Environment «Zeige
deine Wunde» im heutigen Maximiliansforum auf. Beuys erklärt dazu, dass seine Installation die Wunden
der Gesellschaft zeige: «Eine Wunde, die man zeigt, kann geheilt werden.»
Ausgehend von der Kopie des Doppelsuizids von Kleist durch Johannes R. Becher untersucht «reenacting
the reenactment» deutsche Künstler zwischen pathetischer Selbstinszenierung und ihrer Sehnsucht
nach realpolitischer Einmischung. In einer utopiefreien Zeit werden die Wunden noch einmal seziert, um hinter den toten Körpern den Geist des Widerstands und das Scheitern an der Utopie, die Krankheit und das Pathos freizulegen.
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90 Min.
Maximiliansforum
Fr, 1.6.
22:00
VVK 10/7 € AK 12/8 €
Konzeption, Inszenierung, Raum & Video: Sebastian Hirn
Fotoinstallation, Konzeption: Katharina Gaenssler
Kostüm: Veronika Bleffert
Musik: Helga Pogatschar, Andreas Bittl
Video- und Tontechnik: Ole Heinzow
Licht: Thomas Giger
Ton: Benjamin Hüttner
Schauspiel, Musik, Tanz: Andreas Bittl, Philipp Engelhardt, Korinna Krauss, Simona Sbaffi, Ina Tempel, Gilles Welinski
mit den Schwuhplattlern Klaus Drache, Wolfgang Hausner, Peter Loeffler,
Roland Mayr, Georg Pichlmayr
Mit herzlichem Dank an: Jens Fietje Dwars, Egon Günther,
Dr. Elisabeth Hartung, Christoph Schwarz, Prof Dr. Christoph Stölzl, Moritz Schönecker und Jonas Zipf vom Theaterhaus Jena, Prof. Dr. Guenther Blamberger von der Kleist Gesellschaft, Dr. Peter Müller vom Staatsarchiv Ludwigsburg, Sabine Wolf vom Johannes-R.-Becher-Archiv der Akademie der Künste Berlin, Dipl.-Pol. Reinhart Schwarz vom Hamburger Institut für Sozialforschung, M.A. Anton Löffelmeier vom Stadtarchiv München, Robert.Bierschneider vom Staatsarchiv München, Martina Seidel vom Deutschen Rundfunkarchiv Potsdam-Babelsberg, dem Pathologischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München, Antina Gaenssler, Hans Hillreiner, Cornelia Hirn, Bernd Kuchenbeiser, Hannes Roether, Doris Volkmer u.v.a.
Ein performativer Beitrag zum 200. Todesjahr von Heinrich von Kleist Schauspiel, Musik, Tanz und Bildende
Kunst. Eine Produktion in Kooperation mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und dem Theaterhaus Jena.
Dieses Projekt wird gefördert durch: Kunst im öffentlichen Raum der Stadt München - ein Programm des Kulturreferates.
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